Langsam, ganz langsam, spricht sich herum, dass wir dringend ein neues Fortschrittsmodell brauchen. Die letzte panische Börsenkrise drückt uns mit der Nase tief in die Erkenntnis: Das pure Mehr ist vorbei. Mehr Produktion, mehr Bruttosozialprodukt, mehr Konsum, mehr Rendite durch Schulden, dieses Modell gerät an allen Fronten an seine Grenzen. Mehr geht nicht mehr, macht aber auch zunehmend weniger Spaß. Und Sinn.
Aber was kommt danach? Menschen und Gesellschaften brauchen schon aus psychologischen Gründen Kriterien für das Anstrebenswerte, das Zukünftige, für das, was steigerbar ist. Deshalb schlagen Zukunfts- und Gesellschaftsforscher, aber auch einige kluge Politiker, seit Jahren die Einführung eines Bruttoglücksproduktes vor. Im Königreich Bhutan steuert man mit einem entsprechenden Index politische Entscheidungen. Auch eine europäische Kommission arbeitet an einem neuen, qualitativen Wohlstandsindex.
Nun ist Glück eine vertrackte Sache. Man kann es schwerer messen als den Output von Fabriken. Es ist flüchtig, und unterliegt weichen, durchaus heiklen Interpretationsmustern. Dennoch gibt das subjektive Wohlbefinden eine Menge Hinweise über die Bedingungen, in denen Wohlstand 2.0 gedeihen kann. Die neueste Studie über die Glücklichkeit der Europäer, erhoben vom Hamburger Institut für Zukunftsfragen, weist 71 Prozent der Schweizer als glücklich aus. Rekordhalter sind die zu 96 Prozent glücklichen Dänen.
Liegt es am Lego? Auch Kinder anderer Nationen haben erfahren, dass die Welt aus bunten Plastikpixeln, äh Würfeln, besteht, die man nach Belieben zusammenstecken und zu ganzen wunderbaren Welten verbauen kann. Eine Kreativ-Technik, die offenbar die Glücksfähigkeit im höheren Alter steigert. Aber das erklärt nicht wirklich das kollektive Über-Glück der Dänen. Dänen wie Schweizer glauben, anders als das Gros der Deutschen, nicht, dass in erster Linie „die da oben” für alles verantwortlich sind. Dänen sind, wie alle wissen, die einmal den Fehmarn Belt überquert haben, Familien- und Freundesmenschen, die unglaublich viel Energie in die Gestaltung ihrer persönlichen Beziehungen stecken. Schweizer nörgeln selten gegen den Staat, sondern stimmen selbstbewusst und basisdemokratisch über ihre Belange ab. Positives Lebensgefühl gedeiht offenbar besser in „Kulturen von unten” – dort, wo mehr Selbst-Verantwortung, Partizipation und zivilgesellschaftliche Autonomie herrschen.
Auch die Deutschen sind übrigens gar nicht so sauertöpfisch und ängstlich. Immerhin 61 Prozent empfinden sich als glücklich. Überhaupt ist das mit den schlimmen Krisen so eine Sache. Die Griechen empfinden sich zu 80 Prozent, die Italiener zu 79 Prozent als glücklich – Stand 2011. In einer anderen Befragung zeigten sich auch die Deutschen relativ unbeeindruckt vom momentanen Armageddon-Geschrei des Ökonomischen. Nur rund 40 Prozent machten sich Sorgen über die ökonomische Zukunft, den Euro und andere Untergänge. 18 Prozent sind völlig unbesorgt, der Rest nur wenig beunruhigt. Man kann das als Ignoranz fehldeuten. In der neuen Humanpsychologie nennt man diesen Effekt „Resilienz” – Fähigkeit zur mentalen Robustheit. Glücklich ist, wer nicht alles glaubt, was in den Untergangsmythen unserer Zeit verhandelt wird.